hpphysio.pro https://www.hpphysio.pro/traintodevelop/ Wed, 30 Apr 2025 03:38:11 +0000 de-DE hourly 1 Little League Shoulder – Eine Überlastungsproblematik bei jugendlichen Wurfsportler*innen https://www.hpphysio.pro/traintodevelop/little-league-shoulder/ https://www.hpphysio.pro/traintodevelop/little-league-shoulder/#comments Fri, 06 Oct 2023 17:53:00 +0000 Schulter https://www.hpphysio.pro/traintodevelop/little-league-shoulder/ Weiterlesen

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Jan ist 13 Jahre alt und begeisterter Handballer. Er möchte unbedingt einmal Profi werden, so wie seine Vorbilder. Dafür geht er regelmäßig zum Training und feilt auch zu Hause immer wieder an seinem Wurf. Doch seit geraumer Zeit macht sich seine Schulter bemerkbar. Die Schmerzen nehmen beim Werfen immer mehr zu. Hat er vielleicht eine Little League Shoulder?


Wurfaktivitäten im Sport sind für etwa 10 % aller Schulterschmerzen bei Jugendlichen verantwortlich. 26 % davon entstehen durch Überlastung. Die Little League Shoulder gehört dazu. Sie wurde erstmals 1953 von Dotter als »Osteochondrose der proximalen Epiphyse des Humerus« beschrieben. Heutzutage ist die Bezeichnung »proximale Humerus-Epiphysiolyse« geläufiger. Das weist darauf hin, dass eine Beschädigung der oberen Epiphysenfuge (Wachstumsfuge) des Oberarmknochens ursächlich ist.

Die obere Wachstumsfuge des Oberarmknochens entsteht durch Verschmelzung mehrere Verknöcherungszentren. Sie hat sich mit etwa fünf bis sieben Jahren ausgebildet und bis zum 19. bis 22. Lebensjahr verschlossen. Etwa 80 % des Längenwachstums des Oberarmknochens findet hier statt.

Little League Shoulder 01

Abbildung: Kraus (2010)

Salter-Harris-Verletzungen

Verletzungen der Wachstumsfugen werden häufig nach den kanadischen Orthopäden Robert Bruce Salter und Robert Harris in die 1963 veröffentlichte Salter-Harris-Klassifikation eingeteilt. Die Little League Shoulder zählt zu den leichtesten dieser Verletzungen, der Salter-Harris Typ 1-Verletzung. Nur 5 % aller Salter-Harris-Verletzungen sind Typ 1-Verletzungen. Mit 75 % ist die Salter-Harris Typ 2-Verletzung die häufigste. Insgesamt gibt es fünf Stufen.

Salter-Harris-Klassifikation

Beschreibung nach Sammy Baierlein:

  • Salter-Harris Typ 1: reine Epiphysenlösung (Epiphysiolyse)
  • Salter-Harris Typ 2: Epiphysenlösung mit metaphysärem Keil
  • Salter-Harris Typ 3: Epiphysenlösung mit epiphysärem Keil
  • Salter-Harris Typ 4: Epiphysenlösung mit epi-metaphysärem Keil
  • Salter-Harris Typ 5: Kompression der Epiphysenfuge (Crush-Verletzung)
Little League Shoulder 02

Abbildung: Levine et al. (2023)

Ursache

Für die Entstehung der Little League Shoulder ist insbesondere ein hoher Umfang an Würfen verantwortlich. Das damit einhergehende, sich aufsummierende rotatorische Drehmoment und die enormen Zugkräfte, die dabei auf den Oberarmknochen wirken, können zu einer Überlastung der Wachstumsfuge am Wurfarm führen.

Schädigung der Wachstumsfuge

Sabick und Kollegen stellen dar, dass kurz vor dem Ende der Ausholphase der Wurfbewegung das außenrotatorische Drehmoment auf den Oberarmknochen bei jugendlichen Werferinnen und Werfern etwa 18 Nm beträgt. In der Durchschwungphase, kurz nach dem Loslassen des Balls, entstehen dagegen Zugkräfte von circa 215 Nm. Die Zugkräfte sind demnach weitaus höher, aber der Oberarmknochen kann diese wesentlich besser tolerieren als die rotatorisch einwirkenden Kräfte, denn seine kollagenen Fasern (widerstandsfähige Strukturproteine des Bindegewebes) sind primär senkrecht angeordnet. Die relative Belastung auf die Wachstumsfuge durch ein rotatorisches Drehmoment von 18 Nm entspricht in etwa 400 % von dem, was die Wachstumsfuge gewöhnlich tolerieren kann. Eine Zugbelastung von 215 Nm korreliert hingegen mit nur 5 % der tolerierbaren Belastung des Knorpels der Wachstumsfuge. Die Entstehung der Little League Shoulder ist somit hauptsächlich auf das rotatorische Drehmoment und die damit einhergehende Scherbelastung auf die Wachstumsfuge durch Werfen zurückzuführen.

Knöcherne Veränderungen

Neben der Schädigung der Wachstumsfuge kann diese Scherbelastung auch zu einer Vergrößerung der Rückwärtsneigung (Retroversion) des Kopfes vom Oberarmknochen führen. Hosokawa und Team stellten in ihrer Einzelfalluntersuchung bei einem 15-jährigen Baseballspieler eine Zunahme von 27° auf der Wurfarmseite im Vergleich zur Gegenseite fest. Zudem kam es zu einer Deformierung des Schaftes vom Oberarmknochen nach außen (Varusrichtung) um + 9°, was zu einer Abnahme des Winkels zwischen Hals und Schaft des Oberarmknochens führte (- 8°), sowie nach hinten (Extensionsrichtung) um + 21°. Werfen kann demnach zu einer dreidimensionalen knöchernen Veränderung des Oberarmknochens führen.

Little League Shoulder 03 1

Abbildung: Hosokawa et al. (2017); blau = Wurfarm, weiß = Arm der Gegenseite

In anderen Untersuchungen war die Vergrößerung der Rückwärtsneigung weniger stark ausgeprägt. Durchschnittlich betrug sie bei Baseballspieler*innen (Pitcher) im jungen Erwachsenenalter 16° und im Jugendalter 14°. Das kann mit dem Alter zu Beginn der Baseballkarriere zusammenhängen. Je jünger das Alter, in dem mit dem Sport begonnen wird, desto stärker ist die Rückwärtsneigung später ausgeprägt.

Auch bei Rückschlagsportarten kann sich die Rückwärtsneigung des Kopfes vom Oberarmknochen verändern. Hannah et al. untersuchten gesunde Tennisspieler*innen im Jugend- und jungen Erwachsenenalter und fanden, dass deren Rückwärtsneigung um 7° bis 11° zugenommen hatte.

Gleichzeitig hemmt Werfen die physiologische Abnahme der Rückwärtsneigung mit dem Älterwerden. Knöcherne Unterschiede zwischen dem Wurfarm und der Gegenseite sind ab der 4. Klasse, wenn der Wachstumsschub beginnt, ersichtlich.

Veränderung der Beweglichkeit

Die Veränderung des Winkels der Rückwärtsneigung wirkt sich merklich auf das rotatorische Bewegungsausmaß der Schulter aus. Die Außenrotation in einer 90° abgespreizten Armstellung (Abduktion) wird dadurch größer, die Innenrotation hingegen geringer. In den meisten Fällen geschieht das in gleichem Maße, sodass das rotatorische Gesamtbewegungsausmaß ähnlich bleibt.

Die Innenrotation kann aber auch stärker abnehmen als der Grad, in dem die Außenrotation zunimmt. Ist sie am Wurfarm im Seitenvergleich um mehr als 15° bis 25° reduziert, so wird diese Veränderung als pathologisches GIRD (Glenohumeral Internal Rotation Deficit) bezeichnet, da sie häufig in einem Zusammenhang mit späteren Schulter- und Ellenbogenbeschwerden bei Wurfsportler*innen steht. In der Regel ist dieses Phänomen aber eher bei älteren als bei jüngeren Jugendlichen oder Kindern zu erkennen.

Little Leage Shoulder 04

Abbildung: Mike Reinold (2013)

Risikofaktoren

Eine genetische Disposition kann das Risiko für die erwähnten Veränderungen steigern. Es gibt Variationen in den Eigenschaften des Kollagens und somit des Knorpels bei Kindern und Jugendlichen. Zudem können Faktoren, wie eine ungünstige Wurftechnik, zu häufige Würfe ohne ausreichende Erholungspausen sowie eine starke Zunahme der Muskelkraft und damit Wurfintensität das Risiko für die Entstehung einer Little League Shoulder erhöhen. 

Diagnostik, Therapie und Rückkehr in den Sport

Bednar und Team veröffentlichten im Jahr 2021 eine systematische Übersichtsarbeit, in der sie die Erkenntnisse aus bislang durchgeführten 23 Studien in Bezug auf Diagnostik, Therapie und Kriterien für die Rückkehr in den Sport bei einer Little League Shoulder zusammenfassten. Alle Studien waren retrospektive Beobachtungsstudien mit einem niedrigen Evidenzniveau und stammten meistens aus Amerika. Die deutliche Mehrheit der 266 untersuchten Jugendlichen spielte Baseball. Weniger als 1 % davon waren Mädchen. Das Durchschnittsalter betrug 12,8 Jahre (7,4 bis 17 Jahre).

Deren Arbeit sowie die häufig zitierte Übersichtsarbeit von Osbahr et al. aus dem Jahr 2010 ist in folgendem Text zusammengefasst.

Diagnostik

Meist führen die Anamnese und klinische Untersuchung zu einem ersten Verdacht einer Little League Shoulder. Allerdings kann es zwischen den Betroffenen große Unterschiede geben, weshalb ein bildgebendes Verfahren unerlässlich für die Diagnosestellung ist. Aber auch bei der Bildgebung besteht die Gefahr einer Fehlinterpretation.

Anamnese

Die Betroffenen befinden sich in der Regel im Wachstumsschub und im Übergang vom Kindes- in das Jugendalter. Sie sind vorwiegend zwischen elf und 14 Jahre alt und in Wurf- oder Rückschlagsportarten seit längerer Zeit sehr aktiv. Aber auch im späteren Jugendalter kann die Little League Shoulder auftreten. Als Hauptsymptom geben sie einen progressiven Schmerz im oberen Bereich des Oberarmknochens am Wurfarm an, der insbesondere beim Werfen auftritt, jedoch keiner speziellen Wurfphase zuordenbar ist. Einige berichten über eine plötzliche Zunahme des Wurfumfangs vor dem ersten Auftreten des Schmerzes. Zum Zeitpunkt der Anamnese kann der Schmerz erst wenige Wochen oder bereits mehrere Monate vorhanden sein.

Klinische Untersuchung

Bei der Inspektion sind in seltenen Fällen eine besonders stark ausgeprägte Schultergürtelmuskulatur (2 %) und eine geringe Schwellung im oberen Bereich des Oberarmknochens (4 %) erkennbar. Dagegen ist dort häufig ein Druckschmerz, vorn außen oder hinten außen, feststellbar (67 %). Bei der Bewegungstestung des Wurfarms weist knapp die Hälfte der Betroffenen ein verändertes Bewegungsausmaß der Schulter (46 %) auf; 16 % davon zeigen ein GIRD. Die Widerstandstestung ist seltener auffällig. Schmerzen und/oder Schwäche bei Außenrotation weisen 10 %, bei der Abspreizung (Abduktion) 5 % und bei Innenrotation nur 2 % auf.

Bildgebende Verfahren

Bei den meisten Jugendlichen mit Symptomen einer Little League Shoulder wird eine antero-posteriore Röntgenaufnahme in Innen- und Außenrotationsstellung der betroffenen Schulter gemacht. Zum Vergleich erfolgt diese idealerweise auch auf der Gegenseite. Dagegen ist die Durchführung einer Computertomografie (CT) oder Magnetresonanztomografie (MRT) selten. Letztere wird insbesondere zur Bestätigung nach einer bereits getätigten Röntgenaufnahme durchgeführt, oder wenn die Röntgenuntersuchung negativ ist und trotzdem der klinische Verdacht einer Little League Shoulder besteht.

In nahezu allen Fällen (99 %) ist eine Erweiterung der oberen Wachstumsfuge des Oberarmknochens festzustellen; oftmals auch eine knöcherne Veränderung, speziell mit einer um etwa 20° vergrößerten Rückwärtsneigung des Kopfes vom Oberarmknochen, im Vergleich zur Gegenseite.

Es sollte jedoch beachtet werden, dass im Röntgenbild eine Erweiterung der Wachstumsfuge auch bei klinisch asymptomatischen Jugendlichen ersichtlich sein kann. Murachovsky und Team stellten fest, dass 66 % ihrer untersuchten Baseballer radiologische Veränderungen der oberen Wachstumsfuge des Oberarmknochens aufwiesen, 64 % davon aber keine Symptome zeigten. Sie schlussfolgerten, dass eine Erweiterung der Wachstumsfuge auch nur mit einer Vergrößerung der Rückwärtsneigung des Kopfes vom Oberarmknochen zusammenhängen könnte und nicht zwingend mit der Entstehung von Beschwerden. 

Therapie

Die Little League Shoulder ist prinzipiell eine selbstlimitierende Überlastungsproblematik, das bedeutet, sie löst sich auch ohne therapeutische Maßnahmen. Dennoch ist eine begleitende, meist konservative Therapie empfohlen.

Vor 1998 war eine komplette Wurf-Pause bis zum vollständigen Verschluss der Wachstumsfuge in der Röntgenaufnahme gängig. Zudem wurde in der Akutphase häufig eine Immobilisation mittels Armschlaufe verordnet. 

Seit 1998 wurde in nur noch einer Studie eine komplette Wurf-Pause bis zum vollständigen Verschluss der Wachstumsfuge angeordnet und in nur noch einer weiteren Arbeit eine Ruhigstellung mit einer Armschlaufe. In den weiteren Studien wurde dagegen eine Wurf-Pause von einem Monat bis maximal ein Jahr empfohlen. Bei 42 % aller Proband*innen waren es rund vier Monate und bei 39 % sogar nur vier bis sechs Wochen. 

Der entscheidende Wendepunkt war die Arbeit von Carson und Gasser. Sie erkannten in ihrer Vergleichsstudie, dass es bei einer Little League Shoulder deutlich früher zu einer bleibenden Symptomfreiheit als zu einer radiologisch nachweisbaren Heilung kommt. Im Durchschnitt bekamen die Jugendlichen in den ausgewerteten Studien eine Baseball-Pause von drei Monaten verordnet. Danach kehrten 91 % wieder in ihren Sport zurück und blieben asymptomatisch, obwohl noch eine Erweiterung der oberen Wachstumsfuge des Oberarmknochens in den Röntgenaufnahmen erkennbar war. Seitdem wird eine schrittweise Rückführung zum Werfen innerhalb von zwei bis vier Monaten empfohlen. Zudem gibt es die Empfehlung für Physiotherapie, um Beweglichkeitseinschränkungen, z. B. GIRD, zu behandeln und die Schulter- und Schultergürtelmuskulatur gezielt zu kräftigen. Des Weiteren soll an der Verbesserung der Wurftechnik gearbeitet und der Umfang an Würfen eingeschränkt werden, denn beide Faktoren zusammen senken das Risiko für ein (Wieder-)Auftreten der Little League Shoulder.

Das »USA Baseball Medical & Safety Advisory Committee« hat angesichts dessen eine Empfehlung veröffentlicht, in der die Anzahl der Würfe altersabhängig begrenzt werden. Sie bezieht sich jedoch ausschließlich auf Würfe in Spielen und nicht auf diejenigen im Training. 

Little League Shoulder 01

Return to Sport

Klare Kriterien, die vor der Rückkehr in den Sport mit Wurfaktivitäten erfüllt werden müssen, wurden in nur elf von 23 Studien beschrieben, die sich allerdings sehr voneinander unterschieden. Am häufigsten musste eine vollständige Symptomfreiheit erfüllt sein.

In 19 von 23 Studien wurde die erfolgreiche Rate in Bezug auf Return to Sport angegeben. 94 % der insgesamt 167 Probanden kehrten in ihren ursprünglichen Sport zurück (bei weiteren 2 % war das Ergebnis zum Zeitpunkt des Studienendes noch nicht bekannt), 92 % von 133 Proband*innen sogar auf der Position und dem Level von der Zeit vor dem Auftreten der Beschwerden. In elf von 23 Studien betrug die erforderliche Dauer zwei Monate bis zwei Jahre.

In acht Studien wurde von einem Wiederauftreten der Symptome (insbesondere Schmerz) nach der Rückkehr in den Sport berichtet, das 19 % von 187 Proband*innen betraf. Bei 25 % war dies nach 3,5 Monaten der Fall, bei nur noch 7 % nach 7,6 Monaten. In vier Studien wurden jedoch keine Rezidive gefunden. 

Fazit 

Die Little League Shoulder ist eine typische Überlastungsproblematik bei jugendlichen Werfer*innen, die hauptsächlich mit Schmerzen im oberen Bereich des Oberarms beim Werfen einhergeht. Sie entsteht vordergründig durch die auf die obere Wachstumsfuge des Oberarmknochens einwirkende rotatorische Kraft am Wurfarm. Prinzipiell ist die Problematik selbstlimitierend. Eine konservative Therapie, größtenteils bestehend aus Physiotherapie zur Behandlung von funktionellen Befunden, sollte jedoch den Verlauf begleiten. Wichtig ist speziell eine Wurf-Pause für etwa drei bis vier Monate, bevor eine schrittweise Rückführung in den Sport angestrebt wird. Ab diesem Zeitpunkt sollte zunächst an der Wurftechnik gefeilt und der Wurfumfang limitiert werden. So ist in den allermeisten Fällen eine komplikationsfreie Wiederaufnahme des Sports auf dem vorherigen Level möglich. 


Literatur

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Morbus Osgood-Schlatter – Teil 2: Diagnostik, Differenzialdiagnostik und Therapie https://www.hpphysio.pro/traintodevelop/morbus-osgood-schlatter-2/ https://www.hpphysio.pro/traintodevelop/morbus-osgood-schlatter-2/#comments Mon, 06 Mar 2023 16:26:00 +0000 Knie https://www.hpphysio.pro/traintodevelop/morbus-osgood-schlatter-2/ Weiterlesen

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Im ersten Teil dieses Beitrags über Morbus Osgood-Schlatter hast du erfahren, wie häufig die Erkrankung vorkommt, wie lange die Kinder und Jugendliche gewöhnlich an den Symptomen leiden, was die Ursachen sind und welche Risikofaktoren zugrunde liegen. Gerade das Wissen um die Risikofaktoren ist für Übungsleiter, Trainer und Physiotherapeuten besonders wichtig, denn daraus können gezielte Untersuchungen und Maßnahmen zur Prävention abgeleitet werden.


Zusammengefasst ist festzuhalten: Morbus Osgood-Schlatter ist eine ernst zu nehmende Erkrankung, die insbesondere im Übergangsalter von der Kindheit in die Jugend auftritt und deren Symptome sich oft über Jahre erstrecken. Sie entsteht durch stetige Traktionsbelastungen auf die Apophyse der Tuberositas tibiae, ausgelöst durch zu häufige und intensive Aktivitäten, bei denen der Quadrizeps stark involviert ist. Das sind vorwiegend Sportarten, in denen Sprinten, Springen und Richtungswechsel einen hohen Bestandteil haben. Es ist eine multifaktorielle Erkrankung. Das bedeutet, mehrere Risikofaktoren zusammen beeinflussen die Wahrscheinlichkeit des Auftretens. Häufig sind sie funktionell bedingt und können durch gezieltes Training beeinflusst werden – sowohl zur Behandlung als auch zur Prävention. 

In diesem zweiten Teil des Beitrags geht es um die Diagnostik von Morbus Osgood-Schlatter, die Abgrenzung zu anderen Erkrankungen mit ähnlicher Symptomatik und um die Therapie.


Diagnostik

Die Diagnostik des Morbus Osgood-Schlatter erfolgt zunächst klinisch, basierend auf den Symptomen, welche die Patienten während der Anamnese angeben und den Erkenntnissen, die der Arzt oder Physiotherapeut bei der körperlichen Untersuchung erlangt. Eine ergänzende bildgebende Diagnostik, wie Röntgen, Ultraschall, Magnetresonanztomografie (MRT) und Computertomografie (CT) kann die klinische Diagnose bekräftigen und zudem, insbesondere bei schwerwiegenden und untypischen Symptomen, andere Erkrankungen ausschließen.

Anamnese

Das Hauptsymptom des Morbus Osgood-Schlatter ist der anteriore Knieschmerz, vordergründig auf der Tuberositas tibiae und im unteren Teil der Patellasehne. Dieser kann mit unterschiedlicher Intensität auftreten. Verstärkt wird er durch Druck, wie beim Knien, beim Aufstehen nach längerem Sitzen mit angewinkelten Knien, durch Treppengehen sowie durch sportliche Aktivitäten mit wiederkehrenden Sprints, Sprüngen und Richtungswechseln. Das kann so weit reichen, dass die Aktivität abgebrochen werden muss. Bei körperlicher Ruhe nimmt der Schmerz wieder ab.

Die Problematik entwickelt sich in der Regel allmählich und ohne bekannte Ursache, wie ein Trauma, von leicht und gelegentlich bis stark und anhaltend. 

230306 Morbus Osgood Schlatter 1

Körperliche Untersuchung

Beim Blick auf das betroffene Knie ist in der Regel eine knöcherne Verdickung der Tuberositas tibiae zu erkennen, dort, wo die Patellasehne am Schienbein ansetzt. Auch diese kann verdickt sein, insbesondere im chronischen Zustand. Nach körperlicher Belastung kann zudem eine leichte lokale Schwellung ersichtlich sein.

Die Ansatzstelle der Patellasehne ist häufig stark druckempfindlich und der Quadrizeps sowie die Hamstrings weisen eine hohe Muskelspannung auf.

Das passive Bewegungsausmaß ist vollständig und schmerzfrei. Eine konzentrische und exzentrische Kontraktion des Quadrizeps durch manuelle Widerstandstests sowie die Durchführung einer Kniebeuge provozieren den typischen Schmerz. Die isolierte Ansteuerung des Quadrizeps ist häufig beeinträchtigt, wodurch ein aktives Streckdefizit entstehen kann.

Ein spezifischer Test für den Morbus Osgood-Schlatter ist nicht beschrieben.

Die Kraft des Quadrizeps, der Gesäßmuskulatur und Hamstrings sind zudem häufig reduziert und die Rumpfstabilität vermindert.

230306 Morbus Osgood Schlatter 2

Röntgen

Ein Röntgenbild von vorn und von der Seite dient der Beurteilung der Tuberositas tibiae sowie der Ansatzstelle der Patellasehne. Mit Morbus Osgood-Schlatter sind häufig Befunde zu verzeichnen. In seltenen Fällen können sie aber auch normale anatomische Varianten bei asymptomatischen Jugendlichen sein, speziell in der Phase vor der vollständigen Verknöcherung der Tibia. 

Die Beurteilung der Tuberositas tibiae erfolgt in drei Graden:

  • Grad 1: leichte Erhöhung der Tuberositas tibiae
  • Grad 2: klare Abgrenzung der Tuberositas tibiae
  • Grad 3: Fragmentierung der Tuberositas tibiae
230306 Morbus Osgood Schlatter 3

Modifizierte Abbildung: von Pfeil (2009)

Ultraschall

In einem Ultraschallbild ist insbesondere eine Verdickung oder Verletzung der Patellasehne zu erkennen, zudem eine prätibiale Schwellung, knöcherne Fragmentierung und übermäßige Flüssigkeitsansammlung im infrapatellaren Schleimbeutel durch eine reaktive Entzündung.

Mittels einer Doppler-Ultraschalluntersuchung ist darüber hinaus eine Neovaskularisierung, eine Neueinsprossung von Blutgefäßen, am unteren Teil der Patellasehne darstellbar.

230306 Morbus Osgood Schlatter 4

Modifizierte Abbildung: Chiang et al. (2007)

Magnetresonanztomografie (MRT)

Durch die Magnetresonanztomografie (MRT) ist es möglich, Morbus Osgood-Schlatter zu erkennen, noch bevor es zur knöcherne Fragmentierung kommt. Somit ist sie der Schlüssel zur Früherkennung der Erkrankung. Aufgrund der hohen Kosten, die mit dieser Untersuchung einhergehen, wird darauf aber häufig verzichtet.

Die Beurteilung erfolgt in fünf Stadien:

  • Stadium 0: Unauffälliges MRT-Bild, der Jugendliche weist dennoch typische Symptome des Morbus Osgood-Schlatter auf
  • Stadium 1 (frühes Stadium): Entzündungszeichen sind ersichtlich 
  • Stadium 2 (progressives Stadium): Eine Fragmentierung der Tuberositas tibiae ist ersichtlich
  • Stadium 3 (Endstadium): Ein Knochenfragment der Tuberositas tibiae ist vollständig separiert und eine Verdickung der Patellasehne ist ersichtlich
  • Stadium 4 (Heilungsstadium): Die Proliferation von neuem Knochengewebe ist ersichtlich
230306 Morbus Osgood Schlatter 5

Modifizierte Abbildung: orthoKids

Differenzialdiagnostik

Die Differenzialdiagnostik erfolgt meist über die bildgebenden Untersuchungsverfahren. Gegenüber den folgenden Erkrankungen sollte der Morbus Osgood-Schlatter abgegrenzt werden, um eine spezifische Therapie zu ermöglichen. Das gilt vordergründig dann, wenn der Schmerz in der Nacht und/ oder während körperlicher Ruhe verstärkt wahrgenommen wird, denn das ist für Morbus Osgood-Schlatter unüblich und kann auf schwerwiegende Erkrankungen, wie einen Tumor, hindeuten.

  • Osteochondrosis/ Osteochondritis dissecans
  • Osteomyelistis
  • Chondromalacia patellae
  • Patellasehnentendinitis/ -tendinose
  • Patellasehnenruptur/ -ausriss
  • Patellaluxation/ -subluxation
  • Abrissfraktur der Tuberositas tibiae
  • Fraktur des Tuberculum tibiae
  • Hoffa-Kastert-Syndrom
  • Sinding-Larsen-Johansson Syndrom
  • Pes anserinus Syndrom/ Bursitis
  • Weichteil- oder Knochentumor 
  • Infektion

Therapie

Die Behandlung bei Morbus Osgood-Schlatter erfolgt vorwiegend konservativ. Sie führt in 80 Prozent der Fälle zur deutlichen Verbesserung der Symptome innerhalb von zwölf Wochen und in 90 Prozent nach zwölf Monaten. Dennoch können Kraft- und Funktionsdefizite über eine längere Zeit erhalten bleiben. 16 Prozent der Betroffenen kehren nach zwölf Wochen und 67 Prozent nach sechs Monaten wieder in ihren Sport zurück. Bis zu zehn Prozent behalten Symptome bis ins Erwachsenenalter, trotz konservativer Therapie.

Nur selten, wenn durch die konservative Therapie die Symptome nicht ausreichend lindert, wenn insbesondere die Schmerzen, die mit erheblichen Funktionseinschränkungen einhergehen, nicht beseitigt werden können, sollte eine Operation in Erwägung gezogen werden. Das gilt auch, wenn einschränkende Symptome und Schmerzen über die Verknöcherung der Tibia (Epiphysenschluss) hinaus anhalten. 

An dieser Stelle soll noch einmal erwähnt werden, dass Morbus Osgood-Schlatter eine selbstlimitierende Erkrankung ist. Das bedeutet, auch ohne Therapie kommt es in der Regel zur vollständigen Genesung, da mit der Skelettreife, dem Verschluss der Apophyse, eine Verknöcherung der Knochenfragmente der Tuberositas tibiae eintritt.

Konservative Therapie

Die konservative Therapie erfolgt meist symptomatisch, da die konkreten Ursachen für die Entstehung des Morbus Osgood-Schlatter nicht hinreichend bekannt sind.

Die höchste Priorität hat zu Beginn die Linderung der Schmerzen und Beseitigung der Schwellung von Strukturen um die Tuberositas tibiae. Da beides hauptsächlich durch körperliche Aktivitäten wie Sprinten, Springen und schnelle Richtungswechsel verstärkt wird, müssen diese pausiert werden, bis die Symptome abgeklungen sind. Das kann im Leistungssport eine Unterbrechung des regulären Trainings von mehreren Monaten zur Folge haben. Eine ausführliche Aufklärung und Beratung der Betroffenen und auch deren Eltern sind deshalb unerlässlich. Dagegen sind Aktivitäten, bei denen keine Bodenreaktionskräfte entstehen, wie Radfahren und Schwimmen, in der Regel weiterhin möglich. Sie können zur Aufrechterhaltung der kardiovaskulären Fitness durchgeführt werden. Sollten selbst Aktivitäten des täglichen Lebens immer wieder zu Symptomen führen, dann muss über eine begrenzte Zeit eine vollständige Ruhigstellung erfolgen. 

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Die Symptome sollten dadurch allmählich besser werden. Bei einer zu frühen Wiederaufnahme von zu umfangreichen und intensiven Sprint- und Sprungaktivitäten sowie schnellen Richtungswechseln können sie jedoch erneut auftreten oder sich verstärken.

Weitere Maßnahmen werden in der wissenschaftlichen Literatur vorgeschlagen. Es ist jedoch unbekannt, welche oder welche Kombination am nützlichsten ist. Folgend eine Auflistung. Sie basieren in erster Linie auf Erfahrungswerten von Ärzten und Physiotherapeuten sowie auf Einzelfallstudien. Klare Richtlinien stehen nicht zur Verfügung.

  • Aufklärung und Beratung der Betroffenen und deren Eltern
  • Modifikation alltäglicher und sportlicher Aktivitäten (High-Impact-Belastungen aussetzen, Low-Impact-Belastungen beibehalten, in seltenen Fällen Ruhigstellung)
  • Kräftigung des Quadrizeps und der Gesäßmuskulatur
  • Dehnung des Quadrizeps, der Hamstrings und der Wadenmuskulatur
  • Stabilisation des Rumpfes und der Beinachse (Hüftgelenk, Kniegelenk, Sprunggelenk und Fuß)
  • Applikation von Kälte/ Eis
  • Extrakorporale Stoßwellentherapie und Magnetfeldtherapie
  • Verwendung von Kniebandagen, Knieorthesen oder Tapeanlagen, die Druck auf die Patellasehne ausüben und dadurch die Traktionsbelastung auf die Ansatzstelle der Patellasehne an der Tuberositas tibiae reduzieren
  • Schockabsorbierenden Schuheinlagen zur Entlastung der Patellasehne
  • Einnahme von Medikamenten (nicht steroidale Antirheumatika (NSAR))
  • Applikation von Injektionen
Unter Berücksichtigung aller Studien und deren Ergebnisse scheint die wirkungsvollste Behandlungsmaßnahme die Modifikation der körperlichen Aktivität zu sein.

Nachdem Erfolg der konservativen Therapie sollten die Betroffene in regelmäßigen Abständen von Ärzten und/ oder Physiotherapeuten untersucht werden, um erneute Risikofaktoren frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.

Folgend eine genauere Ausführung zur Verwendung von Medikamenten und Injektionen zur Schmerzlinderung.

Medikamente

Nicht steroidale Antirheumatika (NSAR) wie Ibuprofen werden häufig über einen kurzen Zeitraum zur Schmerzlinderung und Reduktion der lokalen Entzündung verabreicht. Es ist wichtig anzumerken, dass sie rein symptomatisch wirken und den Verlauf des Morbus Osgood-Schlatter nicht verkürzen.

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Injektionen

In der Vergangenheit wurden immer wieder Injektionen von Kortikosteroide in die Patellasehne zur Schmerz-/ und Entzündungslinderung empfohlen. Aufgrund des gleichzeitig schädlichen Effekts gilt diese Empfehlung bei Morbus Osgood-Schlatter heute nicht mehr. Solche Injektionen können zur subkutanen Gewebeatrophie, Bildung von Hautstreifen (Schwangerschaftsstreifen) und Ruptur der Patellasehne führen, denn die mit der Injektion einhergehende Abnahme der Durchblutung und Veränderung der Kollagensynthese baut die Sehne ab. Die gleichen Nebenwirkungen entstehen auch bei häufigeren Injektionen von nicht steroidalen Antirheumatika (NSAR).

Dagegen bestehen Hinweise, dass Injektionen von Dextrose und Lidocain oder Saline sowohl die Symptome und Symptomdauer, als auch die Dauer der Sportunterbrechung verringern können und sie einen zusätzlichen Nutzen zur nicht invasiven konservativen Therapie bieten.

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Operative Therapie

Chirurgische Maßnahmen werden nur bei erfolgloser konservativer Therapie und häufig erst im Erwachsenenalter empfohlen. Sie werden offen, arthroskopisch oder bursoskopisch durchgeführt. Dabei werden etwa lose Knochenfragmente entfernt, das Tuberculum tibiae angebohrt, um eine Neovaskularisierung und damit Heilung zu erzielen, autogene Knochenstifte eingesetzt oder die Tuberositas tibiae und gegebenenfalls ein Teil der Tibia entfernt. Jede Operationsmethode weist Vor- und Nachteile auf und sollte deshalb im Detail mit dem Arzt besprochen werden. Die arthroskopische Operation scheint in der Regel die meisten Vorteile mit den geringsten Nachteilen zu vereinen. 

Fazit

Die Diagnostik des Morbus Osgood-Schlatter erfolgt in erster Linie klinisch durch eine ausführliche Anamnese und körperliche Untersuchung durch den Arzt und/ oder Physiotherapeuten. Bildgebende Verfahren sind zunächst nicht zwingend erforderlich, es sei denn, die Symptome präsentieren sich ungewöhnlich. Dann sollte eine bildgebende Differenzialdiagnostik durchgeführt werden, um eine spezifische Behandlung zu ermöglichen.

Morbus Osgood-Schlatter kann in den meisten Fällen konservativ behandelt werden. Die wichtigste Maßnahme ist die Unterbrechung von allen Aktivitäten, welche die Symptome immer wieder neu hervorbringen oder verstärken. Um das Verständnis seitens der Betroffenen und deren Eltern zu erlangen, bedarf es eine konkrete Aufklärung und Beratung. Zudem gilt es in der Therapie, die funktionellen Risikofaktoren zu beseitigen. Eine Operation muss nur selten in Erwägung gezogen werden.


Lese auch den ersten Teil dieses Beitrags über Morbus Osgood-Schlatter, in dem es um die Prävalenz, Prognose, Ursachen und Risikofaktoren der Erkrankung geht.


Literatur

Circi E, Atalay Y, Beyzadeoglu T. Treatment of Osgood–Schlatter disease: review of the literature. Musculoskelet Surg. 2017;101: 195–200. /Link

Corbi F, Matas S, Álvarez-Herms J, et al. Osgood-Schlatter Disease: Appearance, Diagnosis and Treatment: A Narrative Review. Healthcare. 2022;10: 1011. /Link

Ladenhauf HN, Seitlinger G, Green DW. Osgood–Schlatter disease: a 2020 update of a common knee condition in children. Current Opinion in Pediatrics. 2020;32: 107–12. /Link

Lucenti L, Sapienza M, Caldaci A, et al. The Etiology and Risk Factors of Osgood–Schlatter Disease: A Systematic Review. Children. 2022;9: 826. /Link

Neuhaus C, Appenzeller-Herzog C, Faude O. A systematic review on conservative treatment options for OSGOOD-Schlatter disease. Physical Therapy in Sport. 2021;49: 178–87. /Link

Vaishya R, Azizi AT, Agarwal AK, et al. Apophysitis of the Tibial Tuberosity (Osgood-Schlatter Disease): A Review. Cureus. 2016. /Link

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Morbus Osgood-Schlatter – Teil 1: Prävalenz, Prognose, Entstehung und Risikofaktoren https://www.hpphysio.pro/traintodevelop/morbus-osgood-schlatter-1/ https://www.hpphysio.pro/traintodevelop/morbus-osgood-schlatter-1/#comments Wed, 01 Mar 2023 16:52:00 +0000 Knie https://www.hpphysio.pro/traintodevelop/morbus-osgood-schlatter-1/ Weiterlesen

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Morbus Osgood-Schlatter zählt zu den am weitesten verbreitetsten Überlastungsbeschwerden der unteren Extremität bei Sport treibenden im jugendlichen Wachstum. Die Erkrankung wurde erstmals um das Jahr 1900 von den Herren Osgood in den USA und Schlatter in der Schweiz unabhängig voneinander beschrieben und später nach ihnen benannt.

Sie äußert sich insbesondere durch anteriore Knieschmerzen, also Schmerzen im vorderen Bereich des Knies, speziell auf der Tuberositas tibiae am Schienbein. Verantwortlich dafür sind in erster Linie morphologische Veränderungen der dortigen Apophyse (Knochenfortsatz, an dem die Patellasehne ansetzt) durch eine Traktionsapophysitis (Entzündung). Diese kann aufgrund von zu häufig und zu stark einwirkenden Zugkräften über die Patellasehne, durch Kontraktion des Quadrizeps, entstehen, wenn mehrere Risikofaktoren das begünstigen.

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Modifizierte Abbildung: Corbi et al. (2022)

Die Diagnostik erfolgt meist klinisch, gegebenenfalls unter Hinzunahme von bildgebenden Verfahren. In den meisten Fällen ist die konservative Therapie, speziell die Physiotherapie, erfolgreich, auch wenn bis zur vollständigen Genesung der Krankheit Monate bis Jahre vergehen können. Häufig tritt sie erst mit der Skelettreife ein, wenn die Wachstumsfugen geschlossen sind.

In den vergangenen Jahren sind mehrere Übersichtsarbeiten zum Morbus Osgood-Schlatter veröffentlicht worden. Dieser Beitrag fasst diese zusammen.

In diesem ersten Teil geht es um die Prävalenz, Prognose, Ursachen und Risikofaktoren, im zweiten Teil um die diagnostischen Möglichkeiten, Differenzialdiagnostik und Therapieoptionen zur Behandlung der Patienten.

Prävalenz

Morbus Osgood-Schlatter tritt vorwiegend bei sportlich aktiven Kindern und Jugendlichen auf. Die Prävalenz, also die gesamte Anzahl der Betroffenen im typischen Alter, liegt in den meisten Untersuchungen bei rund zehn Prozent. Einzelne Studien zeigen sogar eine Prävalenz von bis zu 33 Prozent. Bei 20 bis 30 Prozent besteht die Erkrankung an beiden Knien. 

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In der Vergangenheit waren Jungen etwa dreimal häufiger betroffen als Mädchen. Nach den neuesten Untersuchungen besteht zwischen den Geschlechtern heute kein großer Unterschied mehr. Das hängt größtenteils damit zusammen, dass nun auch Mädchen vermehrt Sportarten betreiben, die ein erhöhtes Risiko für die Entstehung von Morbus Osgood-Schlatter aufweisen. 

Mädchen sind am häufigsten im Alter von neun und Jungs von elf Jahren betroffen. Die Spanne reicht jedoch von acht bis 13 und zehn bis 15 Jahren. Das fällt mit dem Alter zusammen, in dem die sekundäre Verknöcherung der Tuberositas tibiae stattfindet (apophysäre Phase).

Prognose

Die Heilungsphase im bradytrophen Gewebe (mit langsamem Stoffwechsel, geringer Durchblutung und Nährstoffversorgung) der Apophysenfuge unter Traktion kann sehr langwierig sein. Die Dauer, über die sich die Symptome des Morbus Osgood-Schlatter erstrecken, beträgt im Mittel 90 Monate. Das sind etwa 7,5 Jahre! Die Bandbreite reicht von 24 bis 150 Monate, also zwei bis 12,5 Jahre. Etwas über 40 Prozent geben währenddessen tägliche Schmerzen an. 

Die Symptome verschwinden, trotz Therapie, häufig erst mit der Skelettreife vollständig, wenn die tibiale Wachstumsfuge geschlossen ist. Rund zehn Prozent der betroffenen Kinder und Jugendlichen erlangen einen chronischen Zustand, der ins Erwachsenenalter hineinreicht. 

Solche Langzeitproblematiken, mit immer wiederkehrenden Schmerzen, führen häufig zu psychischen Belastungen, welche die Prognose beeinträchtigen. Sie verschlechtern die Laune und den Schlaf, sorgen für Angstzustände und führen zur Katastrophierung. Eine gute Unterstützung durch die Familie, Ärzte, Physiotherapeuten und Trainer kann für den Verlauf sehr bedeutend sein.

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Entstehung

Stetige Traktionsbelastungen auf die Apophyse der Tuberositas tibiae im jugendlichen Wachstum, verursacht durch körperliche Aktivitäten mit hoher, insbesondere exzentrischer Quadrizepsaktivität und damit starkem Zug auf die Patellasehne und deren Ansatzstelle auf der Tuberositas tibiae, können zu einer Traktionsapophysitis (Entzündung) führen. Daraus können sich histologische Veränderungen bezüglich der faserknorpeligen Zusammensetzung der Apophyse ergeben. Die mechanische Belastbarkeit nimmt dadurch ab und ein knorpeliger Ausriss kann resultieren. Dieser entwickelt sich im weiteren Verlauf gewöhnlich zu Knochengewebe und die Tuberositas tibiae wird vergrößert. Morbus Osgood-Schlatter ist demnach das Ergebnis von vielen mechanischen Mikrotraumata über eine längere Zeit.

Das erklärt, weshalb die Inzidenz am dominanten Bein, das häufigeren und intensiveren Belastungen ausgesetzt ist, etwas höher ist als am nicht dominanten Bein.

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Doch nicht alle, die im jugendlichen Wachstum ähnlichen Belastungen ausgesetzt sind, entwickeln Morbus Osgood-Schlatter. Das könnte damit zusammenhängen, dass Traktionsbelastungen erst dann zu der Erkrankung führen, wenn gleichzeitig eine asynchrone Entwicklung von Muskeln und Knochen stattfindet, im Speziellen des Quadrizeps (Rectus femoris) und der Tuberositas tibiae. Steigt die Kraft des Quadrizeps zu schnell an und bleibt die Belastbarkeit der Apophyse im Verhältnis zurück, dann kann das zu einer Überbeanspruchung mit den oben genannten Folgen führen. 

Weiter könnte es an einer Veränderung der elastischen Eigenschaft der Muskel-Sehnen-Einheit (Quadrizeps und Patellasehne) liegen. Wenn der Quadrizeps (Rectus femoris) steifer wird und die Deformationskapazität der Sehne abnimmt, dann erhöht sich die Belastung auf die Tuberositas tibiae, insbesondere in gedehnten Postionen.

Risikofaktoren 

Eine klare Ursache für die Entstehung von Morbus Osgood-Schlatter ist nicht bekannt. Sie scheint multifaktoriell zu sein. Das bedeutet, erst mehrere Faktoren zusammen führen zu dieser Erkrankung. 

Diese Risikofaktoren werden in der Literatur in nicht modifizierbar und modifizierbar unterteilt. Die nicht modifizierbaren Risikofaktoren können nicht beeinflusst werden. Die modifizierbaren Risikofaktoren sind dagegen veränderbar und sollten zur Prävention von Morbus Osgood-Schlatter Ärzten, Physiotherapeuten und Trainern bekannt sein. Sie sollten Kinder und Jugendliche im gefährdeten Alter regelmäßig auf diese untersuchen, um frühzeitig Gegenmaßnahmen einleiten zu können. Spezifische Präventionsprogramme gegen Morbus Osgood-Schlatter sind in der wissenschaftlichen Literatur nicht beschrieben.

Nicht modifizierbare Risikofaktoren

Zu den nicht modifizierbaren Risikofaktoren zählen neben dem chronologischen und biologischen Alter, die Körpergröße, Verletzungen in der Vergangenheit sowie anatomische Gegebenheiten.

Wie bereits beschrieben kommt es zum Morbus Osgood-Schlatter vor allem während des Übergangs von der Kindheit in die Jugend. Aufgrund der individuellen Entwicklung ist das bei manchen etwas früher, bei anderen etwas später. Kinder und Jugendliche mit einer schnellen Zunahme der Körpergröße sind häufiger betroffen. Vermutlich, weil bei ihnen durch längere Hebel größere Kräfte auf die Tuberositas tibiae wirken. Auch bisherige Verletzungen an der unteren Extremität erhöhen das Risiko, da sie durch biomechanische Veränderungen oftmals die Krafteinwirkung beeinflussen.

Die deutlichsten Hinweise bestehen aber bezüglich der individuellen anatomischen Gegebenheiten. Morbus Osgood-Schlatter ist vermehrt bei Kindern und Jugendlichen zu sehen, die eine vergrößerte externale Tibiatorsion und/ oder ein verstärkt nach posterior abfallendes Tibiaplateau aufweisen. Beides erhöht die Scherbelastung auf die Tuberositas tibiae. Genauso bei denen, die eine vermehrt proximale Ansatzstelle der Patellasehne (nahe am Kniegelenkspalt) und/ oder eine vergrößerte Ansatzfläche zeigen sowie eine Fehlstellung und/ oder -fehlbewegung der Patella oder eine verlängerte Patella und Patellasehne besitzen.

Diese anatomischen Veränderungen können genetisch bedingt, aber auch durch eine anhaltend erhöhte Spannung des Quadrizeps und der Patellasehne, erworben sein. All diese Veränderungen verändern die Krafteinwirkung auf die Tuberositas tibiae.

Modifizierbare Risikofaktoren

Modifizierbaren Risikofaktoren sind funktionell bedingt. Das bedeutet, sie wurden, meist über eine längere Zeit, erworben. Demnach können sie in den meisten Fällen wieder reduziert oder beseitigt werden. Hieraus ergeben sich präventive Maßnahmen. 

Zu den modifizierbaren Risikofaktoren zählen

… eine verminderte Kraft des Quadrizeps, der Gesäß-, Waden- und Fußmuskulatur. Zusammen sind diese Muskeln wichtig zur Kontrolle der Beinachse, beispielsweise beim Sprinten und Springen. Eine Schwäche kann zum Genu valgum führen und die Tuberositas tibiae verstärkt belasten.

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Modifizierte Abbildung: Ellapen et al. (2014)

… ein verändertes Kraftverhältnis zwischen Quadrizeps und Hamstrings. Insbesondere bei Jungen kann in der pubertären Wachstumsphase durch sportliche Aktivitäten, wie Sprinten und Springen, die Muskelmasse und -kraft des Quadrizeps stärker zunehmen, als die der Hamstrings. Dadurch erhöht sich die auf die Tuberositas tibiae die einwirkende Kraft.

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… eine verringerte Dehnfähigkeit des Quadrizeps (vornehmlich des Rectus femoris). Das kann mit einer Erhöhung der Patellasehnenspannung und darüber stärkeren Zugbelastung auf die Tuberositas tibiae einhergehen.

… eine verringerte Dehnfähigkeit der Hamstrings. Dadurch muss der Quadrizeps bei Kniestreckung ein höheres Drehmoment entwickeln, was ebenso den Zug auf die Patellasehne und Tuberositas tibiae erhöht.

… eine verringerte Dehnfähigkeit der Wadenmuskulatur. Die Beweglichkeit im Sprunggelenk in Dorsalextension kann dadurch eingeschränkt werden, wodurch sich die Beinachse, beispielsweise beim Sprinten und Springen, verändert und ein Genu valgum resultiert. Zudem vergrößert sich bei den genannten Aktivitäten der Kniebeugewinkel beim Auftritt des Fußes, wodurch der Quadrizeps ein erhöhtes Drehmoment erzeugen muss, um den Körper abzufedern. Dadurch entsteht eine verstärkte Zugspannung auf die Patellasehne und die Tuberositas tibiae. 

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Modifizierte Abbildung von Henry et al. (2016)

… eine strukturell oder biomechanisch eingeschränkte Dorsalextension am Sprunggelenk. Hieraus ergeben sich die gleichen Folgen wie beim vorherigen Punkt. 

… Fußfehlstellungen, insbesondere eine verstärkte Pronation. Das verändert ebenso die Beinachse, etwa beim Sprinten und Springen, wodurch ein Genu valgum entstehen kann.

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Modifizierte Abbildung: Yar (2022)

… ein verändertes Fußgewölbe. Ein zu flaches Fußgewölbe verändert über eine resultierende verstärkte Pronation des Fußes die Beinachse beim Sprinten und Springen, wodurch ein Genu valgum entstehen kann. Ein zu hohes Fußgewölbe erhöht dagegen die Aktivität des Quadrizeps beim Auftritt des Fußes und damit die Zugbelastung auf die Patellasehne und Tuberositas tibiae.

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Modifizierte Abbildung: River Podiatry

Fehlstellungen und -bewegungen der Patella. Diese verändern die Ausrichtung der Patellasehne und somit die einwirkende Zugkraft auf die Tuberositas tibiae. 

… eine verminderte Rumpfstabilität. Auch diese geht häufig mit einer Veränderung der Beinachse und einem Genu valgum einher.

Fehler bei der Trainingssteuerung. Trainingsprogramme mit zu hohen Umfängen, zu hohen Intensitäten und/ oder zu einseitigen Belastungen, hauptsächlich durch zu frühe Spezialisierung in einer Sportart, sowie mit zu steilen Progressionen und zu geringen Erholungsphasen steigern den Stress auf die Tuberositas tibiae. So zeigen Kinder und Jugendliche, die nur eine Sportart mit hohen Trainingsumfängen ausüben, ein vierfach erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Morbus Osgood-Schlatter, gegenüber denen, die mehrere Sportarten betreiben.

… ein erhöhtes Körpergewicht (hoher Body-Maß-Index (BMI)). Dadurch muss der Quadrizeps beim Auftritt des Fußes eine erhöhte Kraft entwickeln, um das Körpergewicht abzufedern. Das wiederum geht mit einer höheren Patellasehnenspannung und stärkeren Zugbelastung auf die Tuberositas tibiae einher.

… ein Vitamin-D-Mangel. Vitamin D spielt eine bedeutende Rolle für die Aufnahme von Kalzium in den Knochen. Ein Mangel kann die Festigkeit der Tuberositas tibiae beeinträchtigen. Vorrangig in Ländern mit geringen Sonnenstunden sowie in den Wintermonaten ist ein Vitamin-D-Mangel häufig vorzufinden. Das kann der Grund sein, weshalb die Inzidenz für Morbus Osgood-Schlatter in diesem Zeitraum etwas erhöht ist. Wird bei Kindern und Jugendlichen mit Morbus Osgood-Schlatter und gleichzeitig einem Vitamin-D-Mangel Vitamin D in ausreichender Dosierung supplementiert, so kommt es zur Reduktion ihrer Symptome.

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Bedingt modifizierbare Risikofaktoren

Auch wenn es in der Literatur so nicht beschrieben ist, füge ich hier zu den nicht modifizierbaren und modifizierbaren Risikofaktoren noch die bedingt modifizierbaren Risikofaktoren hinzu. Dazu zählt für mich die Sportart.

Sportarten mit wiederkehrenden azyklischen und explosiven Belastungen, wie Sprinten und Springen, sowie häufigen Richtungswechseln, erhöhen das Risiko für die Entstehung von Morbus Osgood-Schlatter. Das sind unter anderem Fußball, Basketball, Handball, Volleyball, Tennis, Turnen und Leichtathletik. In diesen Sportarten ist der Stress auf die Patellasehne und die Tuberositas tibiae besonders hoch.

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Prinzipiell sind diese Sportarten vermeidbar. Wenn aber Kinder und Jugendliche diese Sportarten mit Motivation und Leidenschaft betreiben, dann sollen sie diese meiner Ansicht nach unbedingt weiterführen – sofern sie gesund sind und keine Beschwerden haben, die aus medizinischer Sicht eine Unterbrechung erfordern. Die gesundheitlichen Vorteile dieser Sportarten überwiegen in jedem Fall den sich daraus ergebenden gesundheitlichen Nachteilen.

Fazit

Morbus Osgood-Schlatter ist eine häufige, durch Überlastung im Sport ausgelöste Erkrankung des Kniegelenks, die meist im Übergang von der Kindheit in die Jugend erstmalig auftritt. Die Symptome, insbesondere der anteriore Knieschmerz, bleiben in der Regel Monate bis Jahre bestehen. Deshalb sollte sie von Beginn an sehr ernst genommen werden, um langfristige Beeinträchtigungen möglichst gering zu halten.

Die modifizierbaren Risikofaktoren sollten jedem Arzt, Physiotherapeut und Trainer bekannt sein. Erkennt er sie bei einer regelmäßigen Untersuchung, kann er frühzeitig Präventionsmaßnahmen in die Wege leiten.


Welche diagnostischen Möglichkeiten und Therapieoptionen zur Verfügung stehen, um den Patienten bestmöglich zu helfen, erfährst du im zweiten Teil dieses Beitrags.


Literatur

Circi E, Atalay Y, Beyzadeoglu T. Treatment of Osgood–Schlatter disease: review of the literature. Musculoskelet Surg. 2017;101: 195–200. /Link

Corbi F, Matas S, Álvarez-Herms J, et al. Osgood-Schlatter Disease: Appearance, Diagnosis and Treatment: A Narrative Review. Healthcare. 2022;10: 1011. /Link

Ladenhauf HN, Seitlinger G, Green DW. Osgood–Schlatter disease: a 2020 update of a common knee condition in children. Current Opinion in Pediatrics. 2020;32: 107–12. /Link

Lucenti L, Sapienza M, Caldaci A, et al. The Etiology and Risk Factors of Osgood–Schlatter Disease: A Systematic Review. Children. 2022;9: 826. /Link

Neuhaus C, Appenzeller-Herzog C, Faude O. A systematic review on conservative treatment options for OSGOOD-Schlatter disease. Physical Therapy in Sport. 2021;49: 178–87. /Link
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33744766/

Vaishya R, Azizi AT, Agarwal AK, et al. Apophysitis of the Tibial Tuberosity (Osgood-Schlatter Disease): A Review. Cureus. 2016. /Link

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Hast du als Jugendliche/r selbst die Erfahrung gemacht? Bei körperlicher Belastung, insbesondere beim Sport, traten Knieschmerzen auf, du musstest abbrechen, die Schmerzen hielten an, wurden durch Ruhe wieder besser, bis bei der nächsten Belastung das Ganze von vorn begann. Einen genauen Auslöser, wie eine Verletzung in der Vergangenheit, konntest du nicht ausmachen. Vielleicht kennst du diese Beschreibung auch als Sportlehrer/in, Trainer/in oder Übungsleiter/in von den Jugendlichen im beschleunigten Wachstum, mit denen du trainierst, oder als Elternteil.

Der Gang zum Arzt hilft oftmals wenig weiter, denn eine klare Ursache für die Knieschmerzen kann er in vielen Fällen nicht finden. Die besten Untersuchungsmethoden sind nicht ausreichend. Seine Diagnose lautet dann meist »anteriore Knieschmerzen« oder »patellofemorale Schmerzen«. Letztlich bedeutet das nichts anderes, als Schmerzen im vorderen Bereich des Knies, auf der und/ oder um die Kniescheibe herum, ohne eindeutige Ursache. Eine spezifische Behandlung und Empfehlung für eine weiterführende Therapie ist ihm demnach kaum möglich.

Viele Jugendliche leiden unter dieser Problematik. Etwa zehn bis 40 Prozent der Physiotherapiebesuche von Jugendlichen sind auf anteriore Knieschmerzen zurückzuführen. Manchmal sind sogar beide Knie gleichzeitig betroffen. Nicht selten entsteht ein chronischer Zustand mit erheblichen Funktionseinschränkungen und damit Reduktion der Lebensqualität und Leistungsfähigkeit. Der Sport muss gegebenenfalls vollständig abgebrochen werden. Etwa 50 Prozent der Jugendlichen mit anterioren Knieschmerzen behalten ihre Beschwerden über ein Jahr hinweg und immer wieder sogar bis in das Erwachsenenalter hinein. Mädchen sind in der Regel nicht nur häufiger betroffen, sondern äußern auch stärkere Beschwerden.

Ursachen

Als mögliche intrinsische Ursachen werden biomechanische Faktoren verantwortlich gemacht. Eine ungenügende neuromuskuläre Kontrolle sowie Kraft- und/ oder Beweglichkeitsdefizite in den Bereichen Rumpf, Hüft-, Knie- und Sprunggelenk können dazu beitragen. Bei Mädchen im pubertären Alter wird dies oftmals durch besondere Veränderungen von Gewebeeigenschaften verstärkt.

Als extrinsische Ursache wird ein hoher sportlicher Aktivitätsumfang, gegebenenfalls in Verbindung mit einer hohen Intensität, verantwortlich gemacht, der die gesamte Belastung auf das Kniegelenk deutlich steigert.

Sicherlich können sich beide Ursachen gegenseitig bedingen. Jugendliche, die in Lauf-, Sprint- und Sprungsportarten, insbesondere mit Start-Stopp-Bewegungen, sehr aktiv sind, können schnell Überlastungserscheinungen am Bewegungsapparat entwickeln, wenn sie biomechanische Auffälligkeiten aufweisen. Andererseits kann eine zu starke Ermüdung im Sport zu biomechanischen Veränderungen bei Bewegungsabläufen führen und so Überlastungen hervorrufen. Das Resultat kann in beiden Fällen das gleiche sein: anteriore Knieschmerzen.

Prävalenz

Doch wie viele Jugendliche sind tatsächlich betroffen und bei welchen ist die Problematik gehäuft vorkommend? Gregory Borschneck von der Queen’s University in Kingston, Kanada, ist diesen Fragen nachgegangen. Er veröffentlichte eine der bislang größten Querschnittsstudien dazu.

Der Wissenschaftler untersuchte insgesamt 367 Schüler und Schülerinnen im Alter zwischen zehn und 15 Jahren. Davon waren 207 Mädchen und 160 Jungen. Das Durchschnittsalter betrug 13,2 Jahre.

Bei 7,4 Prozent der Schüler und Schülerinnen stellte er anteriore Knieschmerzen fest. Das Alter hatte jedoch einen starken Einfluss auf die Prävalenz. Wenn sie bei 10-Jährigen mit null Prozent am niedrigsten war, so war sie bei 14-Jährigen mit 10,7 Prozent am höchsten.

Knieschmerzen im Wachstum Grafik1

Die Prävalenz war auch vom Geschlecht abhängig. 10,1 Prozent der Mädchen, aber nur 3,8 Prozent der Jungen klagten über Schmerzen am Knie.

Knieschmerzen im Wachstum Grafik2

Hatten die Schüler/innen allerdings im Laufe der letzten zwölf Monate Probleme mit ihrem Knie, die sie mindestens eine Woche lang in ihrer Aktivität einschränkten, dann betrug die Prävalenz satte 61,1 Prozent!

Auch bei Sportler/innen war die Prävalenz erhöht. Nahmen die Schüler/innen außerhalb der Schule an organisiertem Sport teil (z. B. Fußball, Basketball und Volleyball), wodurch die körperliche Belastung anstieg, so betrug die Prävalenz durchschnittlich 23 Prozent. Mit 38,1 Prozent war sie am höchsten, wenn die Schüler/innen an mehr als drei Sportarten teilnahmen. Von denen, die nur im Schulsport aktiv waren, hatten dagegen nur 2,5 Prozent anteriore Knieschmerzen.

Knieschmerzen im Wachstum Grafik3

Die Körpergröße hatte entgegen der häufigen Annahme keinen Einfluss auf die Prävalenz.

Risikofaktoren

Risikofaktoren für die Entstehung anteriorer Knieschmerzen sind demnach insbesondere das Alter und Geschlecht, Beschwerden am Knie in der Vergangenheit und der sportliche Gesamtumfang. 

Das deckt sich mit der Studie von Meaghan Harris von der University of Newcastle, Australien. Sie untersuchte etwa 200 Jungen und Mädchen im Alter von elf bis 15 Jahren in den Sportarten Basketball, Volleyball, Australian Rules Football und Tennis. Der wöchentliche Aktivitätsumfang in deren Sportarten betrug durchschnittlich acht Stunden. Hinzu kamen zwei Stunden anderweitige körperliche Belastung. Von allen Jungen und Mädchen hatten zum Zeitpunkt der Untersuchung 39 Prozent anteriore Knieschmerzen.

Prognose

Sinead Holden von der Aalborg University in Dänemark führte eine Meta-Analyse zur Feststellung von prognostischen Faktoren von anterioren Knieschmerzen und der damit einhergehenden Funktionseinschränkungen durch. Untersucht wurden insgesamt 1281 10-19-jährige Jungen und Mädchen aus 13 Studien.

Danach trugen folgende Faktoren zu einer schlechteren Prognose bei:

  • tägliche oder nahezu tägliche Schmerzen im Vergleich zu wöchentlichen oder monatlichen,
  • höhere Schmerzen im Vergleich zu niedrigeren,
  • beidseitige Knieschmerzen im Vergleich zu einseitigen,
  • bereits länger bestehende Schmerzen (mehrere Monate bis Jahre) im Vergleich zu kurzzeitig bestehenden (Wochen bis wenige Monate) sowie
  • Mädchen im Vergleich zu Jungen. 

Entgegen der häufigen Annahme stand ein höheres Körpergewicht (Body-Maß-Index (BMI)) nicht in Verbindung mit einer schlechteren Prognose. 

Die Wissenschaftlerin erkannte, dass es in der Regel innerhalb der ersten drei Monaten nach dem erstmaligen Auftreten der Beschwerden am Knie zur stärksten Abnahme des Schmerzes und Zunahme der Funktion kommt. Die danach noch bestehenden Beschwerden bleiben, mit einer nur noch geringen Reduzierung, häufig mindestens 12 Monate bestehen.  Das betrifft rund 50 Prozent der Jugendlichen.

Fazit

Kinder unter zehn Jahren zeigen selten anteriore Knieschmerzen. Es ist eine typische Problematik im frühen und insbesondere mittleren Jugendalter, während des beschleunigten Wachstums durch die Pubertät. Sie ziehen sich häufig über eine lange Zeit, gelegentlich bis in das Erwachsenenalter hinein. Ursachen sind in vielen Fällen positiv beeinflussbar – zum Beispiel durch trainingstherapeutische Maßnahmen, welche biomechanische Auffälligkeiten am Bewegungsapparat für optimale Bewegungsabläufe beseitigen, sowie eine gute Steuerung der Belastung mit ausreichenden Erholungsphasen im Sport.


Knieschmerzen sollten bei Jugendlichen grundsätzlich ernst genommen werden, da sie sich, wenn sie ignoriert werden, häufig manifestieren und mit einer schlechteren Prognose für die Genesung einhergehen. Das gilt speziell für Mädchen.


Literatur

Borschneck G, St. John L, Brundage K, et al. Cross-Sectional Risk Factors of Anterior Knee Pain in Adolescents. Front Pain Res. 2021;2: 720236. /Link

Harris M, Edwards S, Rio E, et al. Nearly 40 % of adolescent athletes report anterior knee pain regardless of maturation status, age, sex or sport played. Physical Therapy in Sport. 2021;51: 29–35. /Link

Holden S, Kasza J, Winters M, et al. Prognostic factors for adolescent knee pain: an individual participant data meta-analysis of 1281 patients. Pain. 2021;162: 1597–607. /Link

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